Hamburg - 08.05.2024

Buchrezension: "Über Kriege und wie man sie beendet"

Wenn man diesem Buch bzw. seinem Autor etwas vorwerfen möchte, dann wohl dies: Der Titel verspricht zu viel. Wer auf Patentrezepte hofft, wie Kriege – allen voran der Ukrainekrieg, denn vor diesem Hintergrund ist das Buch vor allem geschrieben – zuverlässig beendet werden können, der wird hier nicht fündig.

Diese vermeintliche Produktenttäuschung ist schnell verziehen, denn genau das macht die Stärke des Buchs aus. Mit seinen „Zehn Thesen“, abgeleitet aus mehr oder weniger erfolgreichen Kriegsbeendigungsversuchen im Europa der Neuzeit und Moderne, verdeutlicht der Autor, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg, auf welchen oft verschlungenen Wegen Frieden geschlossen wird. Was lässt sich daraus lernen? Erst am Ende des Buches entfaltet Leonhard dazu kurz seine Argumentation: Nicht die Geschichte als solche wiederholt sich – aber Muster, Strukturen und Konstrukte manifestieren sich in immer wieder neuen Konstellationen und können durch Analyse erkannt werden, um Chancen und Hindernisse auf dem Weg zu einem stabilen Frieden zu identifizieren.

Dies ist das Grundprinzip, auf dem die Thesen des mit gut 200 Seiten recht knapp gehaltenen Buchs basieren. Darin befasst sich der Autor unter anderem mit „Paradoxen Enden“, also der Erkenntnis, dass manche Niederlage langfristig zu einem Gewinn (umgedeutet) werden kann und vice versa; mit der Bedeutung verfügbarer Ressourcen für Sieg und Niederlage und der Diskrepanz zwischen tatsächlichen und wahrgenommenen Kipppunkten, durch die sich Kriege oftmals weit über den Zeitpunkt hinaus verlängern, an dem sie objektiv verloren sind; oder mit dem Zielkonflikt zwischen Befriedung und juristischer Aufarbeitung und der Gefahr, einen Friedensschluss mit Erwartungen zu überfrachten. Letzteres wird eindrucksvoll am Beispiel des Versailler Vertrags ausgeführt. Überhaupt spielen dieser und der vorangegangene Erste Weltkrieg eine prominente Rolle in dem Buch; Leonhard hat zu diesen Themen zwei über tausendseitige Werke veröffentlicht. In die einzelnen Kapitel streut er immer wieder prägnante Aufzählungen ein, etwa wenn er vier Erfolgsbedingungen für eine Vermittlung zwischen Konfliktparteien benennt und dies an historischen Beispielen illustriert.

Die Aufgabe, Rückschlüsse auf den Ukrainekrieg zu ziehen, überlässt Leonhard weitestgehend seinen Leserinnen und Lesern. Wenn er bereits im ersten Kapitel die These formuliert: „Die Natur des Krieges bestimmt sein Ende“, dann regen seine historischen Ausführungen zugleich an, Fragen zum aktuellen Konflikt zu stellen: Welcher Natur ist er denn nun, dieser Krieg Putins gegen das ukrainische „Brudervolk“? Welche Ziele und Gründe sind zu erkennen? Unter welchen Voraussetzungen ließe sich dann ein stabiler Frieden erreichen? Mindestens ernüchtert bleibt man nach der Lektüre des Buches zurück – und das ist in diesem Fall ein großer Gewinn.

Rüdiger Frank, Redakteur von „Ethik und Militär“

Jörn Leonhard (2023): Über Kriege und wie man sie beendet: Zehn Thesen. München: C.H.Beck.
18 Euro (12,99 E-Book).