Zauberformel Resilienz? Sicherheitspolitik und Digitalisierung krisenkompetent gestalten

Podiumsdiskussion beim 103. Katholikentag in der Augustinerkirche Erfurt, 30. Mai 2024

 

Katholikentage sind Tage der Demokratie! – Wir alle tragen hier in Deutschland Mitverantwortung für unser Land“, sagte Dr. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, bei der Eröffnung des 103. Deutschen Katholikentages im thüringischen Erfurt. Entsprechend war das Programm des Katholikentags geprägt von aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen und wichtigen Positionierungen für Demokratie und Menschlichkeit.

Den Anspruch, ein Forum für wichtige aktuelle Debatten zu bieten, hatte auch die Podiumsdiskussion, für die sich das Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften (zebis) verantwortlich zeichnete. Unter dem Schlagwort „Zauberformel Resilienz“ stand die krisenkompetente Gestaltung von Sicherheitspolitik und Digitalisierung im Mittelpunkt. Tatsächlich umfassten die angesprochenen Themen unter dem weiten Begriff der Resilienz eine weitaus größere Spannbreite, wie Gäste im Publikum dankend anmerkten.

Ein Grund für das Themenspektrum war ein vielfältiges interdisziplinär besetztes Podium. Als Gäste waren auf dem Podium vertreten:

  • Nora Bossong, Schriftstellerin, Berlin
  • Prof. Dr. Alexander Filipovic, Sozial- und Medienethiker, Universität Wien
  • Generalmajor Andreas Henne, Stellvertretender Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, Berlin
  • Prof. Dr. Natascha Zowislo-Grünewald, Kommunikationswissenschaftlerin, Universität der Bundeswehr München

Die Moderation lag in den Händen von Dr. Veronika Bock, Heinrich Dierkes und Julia Böcker übernahmen die Anwaltschaft für das Publikum, indem sie auf unterschiedliche Weise Fragen entgegennahmen. Das Publikum hatte die Möglichkeit, sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen.

Resilienz in unterschiedlichen Facetten

Der Begriff Resilienz, der oft als schillernd beschrieben wird, ist die Fähigkeit, unter schwierigen Umständen zu überleben und sich trotz aller Widrigkeiten und Herausforderungen zu behaupten. Ursprünglich in der Psychologie auf das Individuum bezogen, wurde das Konzept auf die Gesellschaft im Sinne einer Krisenfestigkeit übertragen und reicht bis zur militärischen Verteidigungsfähigkeit und Fragen des Schutzes wichtiger Infrastrukturen.

In Zeiten sich überlagernder Krisen ist „Resilienz“ ein wichtiger Leitbegriff. Was Individuen und ganze Gesellschaften angesichts vielfältiger Bedrohungen widerstands- und wandlungsfähig macht, ist eine zentrale Frage der Zukunft. Damit schloss das Podium unmittelbar an das Leitwort des Katholikentags an: „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ (Psalm 37,37b), das im Umgang mit Krisen zu Hoffnung, Beteiligung und Engagement ermutigt.

Zum Auftakt sprach der Sozialethiker Alexander Filipovic, der sich eher auf eine individuelle Resilienz bezog. Begrifflich betonte er den Doppelcharakter von Resilienz, die sich zwischen Anpassungsfähigkeit und Widerstandskraft bewege. Resilienz sei auch die Fähigkeit, zwischen diesen Bewältigungsmöglichkeiten zu wählen und entsprechend Gestaltungskraft und Selbstwirksamkeit für das eigene Leben zu empfinden. Später fügte er die Friedensfertigkeit als wichtigen Aspekt der Resilienz hinzu.

Die Schriftstellerin Nora Bossong erweiterte den Resilienzbegriff um religiöse Bezüge und erinnerte an die frühen Christen, die unter widrigsten Umständen ihren Glauben bewahrt hätten. Resilienz lasse zum einen die Hoffnung auf einen Universalismus anklingen, der über das Trennende hinaus verbindet. Zweitens schließe Resilienz die Feindesliebe mit ihrem deeskalierenden Potential ein. Drittens sieht sie in der österlichen Auferstehungsgeschichte das stärkende Vertrauen auf eine Existenz jenseits des Irdischen. So sei Resilienz der Weg, gestärkt aus einer Krise hervorzugehen.

Resiliente Demokratie

Auf Resilienz in einer kommunikativen Dimension ging die Kommunikationswissenschaftlerin Natascha Zowislo-Grünewald ein. Sie versteht darunter eine innere Widerstandskraft, damit destruktive Kommunikation – etwa in populistischen Parolen – keine Wirkung entfalten kann. Sie wünscht sich, dass die Geschichte der resilienten Demokratie überzeugender und mitreißender erzählt wird, um in der Kakophonie der Bot-beeinflussten Fake News-Netzwerke besser gehört zu werden.

Aus der Perspektive der Verteidigungsfähigkeit betrachtete Generalmajor Andreas Henne den Resilienzbegriff. Aus militärischer Sicht habe er keine Bedenken hinsichtlich der Resilienz der Bundeswehr. Im Bereich der zivilen Verteidigung und des Bevölkerungsschutzes gebe es aber noch großen Handlungsbedarf. Hier dürften wirtschaftliche Belange die Verteidigungsfähigkeit nicht beeinträchtigen. In der Gesellschaft sieht er durch die bisherigen Einsätze der Bundeswehr im Katastrophenschutz, spätestens aber durch den Krieg in der Ukraine, einen notwendigen Mentalitätswandel im Gange.

In diesem Zusammenhang betonte Generalmajor Henne die wichtige Aufgabe der Militärseelsorge, die Soldatinnen und Soldaten zu stärken und zu begleiten. Insgesamt trugen die Podiumsgäste verschiedene Möglichkeiten der Resilienzförderung zusammen, von der Informationsvielfalt und unabhängigen Berichterstattung über den Sinn der Verteidigungsfähigkeit bis hin zum Glauben. Vielleicht liegt gerade in dieser Vielfalt der Möglichkeiten und Ansätze die Zauberformel für Resilienz.

Bericht im Deutschlandfunk über die Podiumsdiskussion:
https://www.deutschlandfunk.de/zauberformel-resilienz-dlf-87d443aa-100.html

Bericht: Julia Böcker

Eindrücke von der Podiumsdiskussion. Fotos: KS / Doreen Bierdel

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion feierte der Katholische Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr, Dr. Franz-Josef Overbeck, einen Feldgottesdienst. Fotos: Bundeswehr / Mey